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Das Tor zum Anderswald Teil 3

Alle spürten, dass es ein magischer Ort war, zu dem Jasper sie geführt hatte.
Ein warmes gelbes Licht lies das Moos, das hier überall den Waldboden bedeckte, fast golden erscheinen. Keiner sprach ein Wort, sie waren wie verzaubert von dieser Landschaft. Hier war es so still, dass sie sich kaum zu atmen trauten. Von weitem sahen sie einen kleinen Felsen, der von einem Bündel Sonnenstrahlen beschienen wurde. Irgendetwas Buntes thronte dort oben wie eine Königin. Fast andächtig gingen sie auf den Felsen zu.
In diese Stille stieß Annomé einen Schrei aus. Alle zuckten zusammen und blieben wie angewurzelt stehen. Fips war vor Schreck von Sir Wieselflink gefallen.
“Annomé“, sagte Carlotta vorwurfsvoll, „bist du von allen guten Geistern verlassen? Mir sind fast die Ohren weggeflogen!“
Annomé zeigte auf den Felsen und rief: „Das Anderswald-Buch! Es ist das Anderswald-Buch!“
Jetzt gab es kein Halten mehr. In Windeseile liefen und flogen sie zum Felsen und bestaunten das Buch.
Annomé war total aus dem Häuschen und kreischte: „Carlotta! Schau mal! Da sind wir ja drauf! Hi, hi, hi.
Carlotta grinste. „Ja wer soll denn sonst? Elefanten etwa oder was?“
Alle lachten und hatten großen Spaß. Sie waren überglücklich, dass das erste Buch endlich fertig war.
Fips schaute sich um. „Jasper, deine Informations-Bibliothek ist wirklich eine wertvolle Hilfe. Ohne diesen Hinweis hätten wir ja eine Ewigkeit gebraucht um das Buch zu finden.“
Jasper schnaubte. „Der Anderswald ist riesengroß und überall gibt es geheimnisvolle und magische Orte wie diesen hier. Ohne die Information hätte es Tage und Wochen dauern können, bis wir es gefunden hätten. Und wie es ausschaut, hätten wir dann den magischen Tag verpasst, an dem das Tor sich für das Buch öffnet.“
Fips kratzte sich am Kopf und runzelte die Stirn. „Ach ja, es zu finden war die eine Hürde aber wir müssen ja noch das Rätsel um den richtigen Tag erraten.“
Annomé riss die Augen auf. „Oh Schreck! Vor lauter Freude habe ich das Rätsel total vergessen.“
Carlotta zwinkerte Annomé zu. „Das du alles Unangenehme gerne mal vergisst, ist ja nichts Neues.“
Annomé zuckte mit den Schultern. „Ist manchmal ganz praktisch.“
Carlotta seufzte: „Es löst aber keine Probleme und vor allem keine Rätsel.“
Thilion schaute Jasper an. „Wie lautet denn nun das Rätsel?“
„Also“ sprach Jasper, „folgende Information habe ich bekommen: 5 schwanengleiche Zahlen vereinen sich und am Ende steht die 1, weil ihr die Null an anderer Stelle braucht. Ihr benötigt etwas Fantasie, ein bisschen Rechnen und ein wenig von der menschlichen Zeit. Das war alles was ich erfahren habe.“
Mit einem großen Fragenzeichen auf der Stirn schauten die Freunde ihn an.
Annomé zog ihr Elfennäschen kraus. „Häh? Wie kann es sein dass man 5 Zahlen vereint, also, zusammenzieht und am Ende kommt eine 1 heraus? Und wie sollen wir damit den richtigen Tag errechnen? Das geht doch gar nicht.“ Annomés Mundwinkel bewegten sich kontinuierlich nach unten. „Und wenn wir das Rätsel nicht lösen? Dann kommt das schöne Buch vom Anderswald nicht zu den Menschen.“ Eine Träne kullerte aus Annomés Augenwinkel.
Carlotta konnte alles ertragen nur nicht, wenn ihre Freundin traurig war. „Annomé, wir haben gemeinsam schon so viel geschafft, wir werden auch dieses blöde Rätsel lösen.“
Hoffnung flammte in Annomés Augen auf. „In echt Carlotta?“
„Ja, in echt Annomé! Und du weißt doch, die Dinge sind nicht immer so wie sie zu sein scheinen. Wahrscheinlich ist das Rätsel gar nicht so kompliziert wie wir denken.“
„Carlotta hat Recht“, sagte Thilion. „Ihr habt doch gehört, wir brauchen nur ein bisschen Fantasie, einen Rechenkünstler,“ dabei zeigte er auf Jasper, „und ein bisschen menschliche Zeitrechnung. Wir haben doch schon viel schwierigere Aufgaben gelöst.“
Meelan grinste. „Na, für die Fantasie ist ja wohl unsere Annomé zuständig. Los Annomé, gib alles!“
Carlotta lachte. „Annomé, jetzt darfst du ganz offiziell in deine chaotische Gedankenwelt abtauchen und nach den 5 schwanengleichen Zahlen suchen.“
„Das ist eine meiner leichtesten Übungen“, sagte Annomé und konnte schon wieder lachen.
Farina seufzte. „Das ist uns allen wohl bekannt.“
Rasch schloss Annomé die Augen und dachte: Schwanengleich, schwanengleich, schwanengleich. In Gedanken flog sie zu einem Waldsee. Dort schwamm ein Schwan. Wieviel Zahlen waren es nochmal? Ach ja, fünf. Und schon waren fünf Schwäne auf dem See. Die Körper dieser Tiere erinnerten sie tatsächlich an eine Zahl aber an welche?
Plötzlich kam eine kleine Elfe angeflogen. In der einen Hand hielt sie einen Farbtopf und in der anderen einen Pinsel. Sie flog an Annomé vorbei, grinste sie schelmisch an und steuerte zielstrebig auf einen der Schwäne zu. Dort angekommen tauchte sie den Pinsel in den Farbtopf und rührte darin herum. Dann setzte sie den Pinsel oberhalb des Schnabels vom Schwan an und strich mit blauer Farbe über den Kopf, den Hals hinunter, über den Rücken bis zum Schwanz. Eine blaue geschwungene Linie entstand. Dies wiederholte sie bei jedem Schwan. Danach beendete sie ihren Einsatz.  Als sie abermals an Annomé vorbeiflog zwinkerte sie ihr zu und sagte: „Den Rest schaffst du allein.“
Stirnrunzelnd sah Annomé ihr hinterher. Dann schaute sie wieder zu den Schwänen. Ein breites Grinsen machte sich auf ihrem Gesicht breit. „Na logisch“, sagte sie. „Das ich da nicht von alleine draufgekommen bin.“
Ganz weit in der Ferne hörte sie, wie jemand ihren Namen rief und jetzt wurde sie an den Schultern gerüttelt. Annomé riss die Augen auf.
Carlotta stand vor ihr und sagte: „Wir dachten schon, du wärst jetzt vollends in deiner chaotischen Gedankenwelt verschwunden. Wie schön, dass du wiederaufgetaucht bist.“
Annomé lachte. „Der Tauchgang hat sich gelohnt!“
Carlotta schaute sie neugierig an. „Erzähl, was hast du erlebt.“
Annomé winkte ab. „Das erzähl ich dir später Carlotta.“
Carlotta stöhnte. „Du immer mit deinem -das erzähl ich dir später-, als wenn du das später noch wüsstest bei deiner Vergesslichkeit.“
„Wichtig ist doch erstmal, dass ich die Zahl mitgebracht habe.“
Farina scharrte mit den Hufen. „Mach es nicht so spannend, rede endlich Annomé!“
Annomé zuckte mit den Schultern. „Ich rede doch die ganze Zeit.“
Meelan verdrehte die Augen. „Wenn du uns nicht endlich die Zahl verrätst, dann schüttelt wir sie aus dir heraus!“
Annomé grinst. „Ich sage sie euch ja. Jetzt sofort auf der Stelle. Versprochen!“
Meelan ging mit ausgestreckten Armen auf Annomé zu.
Schnell sagte sie: „Es ist die Zwei!“
„Bist du dir da ganz sicher?“, fragte Fips.
Jetzt erzählte Annomé den Freunden was sie in ihrer Gedankenwelt erlebt hatte.
„Schwanengleich und die Zwei, das passt tatsächlich,“ sagte Thilion.
Jasper war die ganze Zeit sehr still. Nun sprach er. „Ich habe die Lösung.“
Die Freunde schauten ihn ungläubig an.
„Wie jetzt“, fragte Annomé, „die ganze komplette Lösung? So mit allem drum und dran? Das würde bedeuten, dass du weißt, an welchem magischen Tag sich das Tor in Kombination mit dem Buch öffnet?“
Jasper nickte. “Ja das weiß ich. Ich werde es euch erklären. Dazu wiederhole ich nochmal das Rätsel: 5 schwanengleiche Zahlen vereinen sich und am Ende steht die 1, weil ihr die Null an anderer Stelle braucht. Ihr benötigt etwas Fantasie, ein bisschen Rechnen und ein wenig von der menschlichen Zeit.“ Jasper räusperte sich. „Das bedeutet: 5 x 2 = 10. Wir entnehmen die 0 und haben somit die erforderliche 1. Mit der Fantasie haben wir die Zahl 2 gefunden, durch das Rechnen haben wir die 1 und die erforderliche 0 bekommen. Und jetzt kommt das Wichtigste! Ein wenig von der menschlichen Zeit. Wir haben ja keine Zeitrechnung wie die Menschen, wir leben mit dem Zyklus der Natur. Aber wenn wir aus menschlicher Sicht die fünf Zweien nehmen und die Null von der Zehn, dann kann man daraus ein Datum machen und somit einen ganz bestimmten Tag bestimmen.“
„Und was wäre das für ein Datum? Und wann wäre dieser Tag?“ fragte Meelan.
Jasper antwortete: „Es wäre der 2.2.2022 und dieser Tag ist schon Morgen.“
„Jasper“, rief Farina, „du bist ein Genie!“
„Oh Schreck“, rief Carlotta, „schon Morgen!“
Annomé wedelte aufgeregt mit ihren Flügeln. „Dann aber flott, ab in Richtung Anderswald-Tor. Aber wir dürfen das Buch nicht vergessen. Carlotta, am besten verstaust du es in deinem Zauberrucksack Wumpi.“
„Ja, das mach ich.“
Wumpi kletterte mit seinen langen Armen und Beinen von Carlottas Schultern. Vorsichtig nahm Annomé das Buch vom Felsen. Ein Kribbeln durchlief ihren ganzen Körper. „Oh,“, hauchte sie. „Das ist ja voller Magie. Randvoll, sag ich euch. Ich spüre sie in jeder Zeller meines Elfenkörpers.“
„Genau deshalb musste das Buch nach der Überarbeitung nochmal in den Anderswald“, sagte Jasper. “Mit diesem Buch wird der Zauber und die Magie zu den Menschen gebracht. Sobald sie beginnen, die Geschichte vom unserem Anderswald zu lesen, wird diese Magie ihnen helfen, in unsere Welt einzutauchen.“
Ganz behutsam verstaute Carlotta das Buch in ihrem Rucksack. „Dann machen wir uns mal auf den Weg. Annomé, möchtest du bei mir mitfliegen? Es ist ein langer Weg bis zum Tor.“
Annomé überlegte kurz, dann nickte sie. „Da wir erst morgen dort sein müssen und keine Eile geboten ist, nehme ich dein Angebot gerne an. Und außerdem kann ich dann gleichzeitig ein bisschen auf das Buch aufpassen. Damit nicht noch zum Schluss ein Unglück passiert.“
Carlotta lachte. „Du bei mir auf dem Besen, das ist fast eine Garantie für ein Unglück!“
Annomé dachte an ihre Schusseligkeit und dass sie dadurch so einige kleine und große Unfälle verursacht hatte. Einmal war sie ihrer Freundin fast über die Schulter gefallen und ein anderes Mal komplett vom Besen verloren gegangen. Sie kicherte. „Nur manchmal Carlotta, eher selten.“
Carlotta seufzte. „So, so, Frau Elfen-Katastrophe, eher selten nennst du das.“

Und so machten sich die Freunde auf den Weg, um den Anderswald zu den Menschen zu bringen. Keiner von ihnen zweifelte auch nur einen Moment daran, dass die Lösung des Rätsels falsch sein könnte.