Buch 3 - Vorderseite
Buch 3 - Rückseite

Kurzinfo

Die spannende Geschichte von der Elfe Annomé, der Hexe Carlotta und ihren Freunden geht weiter. Noch immer sind sie mit ihrer geheimen Mission, die Welt der feinstofflichen Wesen und die der Menschen zu vereinen, beschäftigt. Mit jeder Aufgabe, die sie erfüllen, entsteht ein Lichttor, eine Verbindungstür zu ihrer Welt. Es könnte einfach nur ein spannendes Abenteuer für die Freunde sein, gäbe es da nicht den Zauberer Ogelot. Er versucht mit aller Macht diese Vereinigung zu verhindern.

Gemeinsam mit ihren neuen Helfern aus der Menschenwelt wehren sie sich auf eine ganz besondere Art und Weise gegen die Machenschaften des Zauberers. Die nächste Aufgabe führt die Freunde über einen geheimnisvollen Weg zu einem seltsamen Ort. Wird Ogelot ihnen auch dorthin folgen?

Leseprobe: Der geheimnisvolle Weg

Kapitel 1
Die Rettung

Annomé nahm ein angenehmes Schaukeln wahr. Sie dachte: Wir sind tatsächlich mit der Wolkenkutsche unterwegs in unsere Zeit. Und, hmm, duftet das herrlich nach Gebackenem. Haben wir sogar Proviant an Bord?
Immer weiter drang ihr Bewusstsein aus den Tiefen der Ohnmacht an die Oberfläche. Je wacher sie wurde, je mehr kam die Erinnerung zurück. Als diese bei dem Zauberer Ogelot angekommen war, stieß sie einen gellenden Schrei aus und riss die Augen auf.
Sie hatte den Zauberer erwartet, stattdessen erblickte sie ein helles Licht. Das ist unmöglich, dachte Annomé. Bei Ogelot hat nichts geleuchtet, der war schwarz wie die Nacht. Mit einem Schlag war sie hellwach. Das Gefährt, in dem sie saß, war weit von einer Wolkenkutsche entfernt.
Neben ihr saß Aurelia, die sich die Ohren zuhielt. Sie sagte: »Na endlich bist du wach. Durch deinen Schrei ist mir fast das Trommelfell geplatzt.«
Annomé schüttelte sich abermals und fragte: »Was ist passiert?«
Vorsichtig nahm Aurelia ihre Hände von den Ohren. »Was hast du gesagt?«
Annomé drehte sich um und sah, dass der Engel mit dem goldenen Licht bei ihnen war. Ein Riesenstein fiel ihr vom Herzen. Sie lächelte verlegen. Ach daher dieses wohlige Gefühl. Sie fragte ihn: »Was ist passiert? Und wo ist der Zauberer?«
Der Goldene erzählte ihr, was geschehen war. Annomé und Aurelia bedanken sich bei ihm, dass er sie vor Ogelot beschützt hat.
»Und wie komme ich zurück in unsere Zeit?«, fragte Annomé. »Den Abflug mit meinen Freunden habe ich leider verpasst.«
»Ihr werdet eine Lösung finden. Wenn ihr eurem Herzen folgt, seid ihr immer auf dem richtigen Weg.« Ohne ein weiteres Wort war er in seinem Licht verschwunden.
Sie fuhren durch das Tor in den Burghof ein. Annomé lies die Flügel hängen und seufzte. Wie sollte sie den Weg zurück in ihre Zeit finden? Und nirgends eine Carlotta, die auf sie aufpasste. Jeden Augenblick konnte der Zauberer Ogelot auftauchen und sie gefangen nehmen. Bloß nicht daran denken, dachte Annomé. Sonst kommt er nur weil ich an ihn denke. »Was sollen wir tun, Aurelia? Der Ogelot schwirrt garantiert noch hier rum.« Ängstlich schaute sie sich nach allen Seiten um.
»Wir fliegen zu Auguste. Die weiß immer eine Lösung.«
»Das ist eine gute Idee.« Annomés Flügel richteten sich sofort wieder auf.
Aurelia flog in Richtung Turm davon. Bevor Annomé ihr folgte, erinnerte sie sich, in was für einem Karren sie saß. Flink schnappte sie sich einen der lecker duftenden Kekse.
»Annomé, beeil dich!«, rief Aurelia.
»Ja, bin schon unterwegs.«
Der Händler, der den Karren zog, wischte sich über seine Augen. Was war das? Da flog eines seiner Gebäckstücke durch die Luft davon. Er dachte, oh je, da habe ich im Dorfkrug wohl einen Becher Wein zu viel getrunken.
Die beiden Elfen flogen rasch in den Turm.
Oben angekommen, klopfte Aurelia an die Tür. »Auguste? Bist du da?« Nichts rührte sich. Abermals klopfte sie, diesmal heftiger. Lauschend hielt sie ihr Ohr an die Tür. Dann schaute sie Annomé an. »Sie ist nicht da. Und ich habe das komische Gefühl, das sie auch nicht wiederkommt.«
»Hoffentlich ist ihr nichts geschehen«, flüsterte Annomé ängstlich. »Ogelot wird sie nicht etwa …? Weil sie uns die Chronik-Bücher gegeben hat?«
Entsetzt schauten sie auf die Wand gegenüber. Dann sahen sie sich an und beide dachten dasselbe. Hier war die Türe aufgegangen, aus der die Bücher geflogen kamen. Dies schien das Reich von Ogelot zu sein.
»Nix wie weg«, flüsterte Annomé.
In Windeseile flogen sie aus der Burg in Richtung Wald. Am Waldrand angekommen, versteckten sie sich hinter einem Strauch. Es war lediglich zu ihrer eigenen Beruhigung. Annomé wusste, dass dies kein Schutz vor Ogelot war. Ein Strauch, das war lächerlich.
»Aurelia, wir müssen von hier weg. Wo sollen wir hin?« Sie zeigte auf den Strauch. »Du weiß selber, dass dieses Versteck ein Witz ist.«
Aurelia schloss die Augen. Annomé schaute sie an und dachte, hoffentlich fällt ihr was ein und das möglichst flott.
Es dauerte nicht länger als drei Wimpernschläge, bis Aurelia ihre Augen wieder öffnete. »Ich wüsste da ein Versteck. Auguste hat es mir gezeigt. Es ist zwar ein bisschen unheimlich, aber immer noch besser, als von Ogelot geschnappt zu werden. Dort können wir in Ruhe überlegen, wie es weiter geht.«
»Na ja«, sagte Annomé, »alles ist besser, als von Ogelot erwischt zu werden. Los, lass uns zu dem Versteck fliegen.«

Die beiden flogen im Eiltempo in den Wald hinein. Immer wieder schauten sie sich um, ob Ogelot ihnen folgte. Es dauerte nicht lange, da kamen sie an einen riesengroßen Felsbrocken. Er war teilweise mit Moos und anderem Grünzeug bewachsen.
»Hier ist es«, sagte Aurelia. Vor dem Felsen stand ein klitzekleiner Zwerg. Seine Kleidung war grün und braun. Zwischen dem ganzen Grünzeug war er kaum zu erkennen. Seinem runzeligen Gesicht nach musste er steinalt sein. Jedoch passten seine klaren Augen und sein wacher Blick nicht so recht zu seiner alten Erscheinung. Er stützte sich auf einen Stock, der mit allerlei seltsamen Schnitzereien verziert war. Fragend schaute er die Elfen an.
Aurelia hockte sich vor ihn hin, lächelte freundlich und fragte: »Lässt du uns bitte hinein?«
»Warum möchtet ihr das?«, fragte der Zwerg misstrauisch.
»Der Zauberer Ogelot ist hinter uns her. Wir brauchen vorübergehend ein Versteck. Ich war vor einiges Zeit mit der Zauberin Auguste hier.«
Annomé dachte: Beeil dich, du Zwerg und schließ endlich die Höhle auf, bevor Ogelot uns schnappt. Vor Aufregung zappelte sie von einem Bein auf das andere. Grimmig schaute der Zwerg zu Annomé und knurrte wie ein böser Wolf.
Oh Schreck, dachte sie. Kann der womöglich meine Gedanken lesen? Sie sagte: »Entschuldige, lieber guter Zwerg. Es ist nur, wir haben es total eilig und furchtbar Angst haben wir auch.«
Das Gesicht des Zwerges entspannte sich und der Hauch eines Lächelns war zu erkennen. Er sprach: »Der Eintritt sei euch gewährt.« Mit seinem Stock klopfte er in einem speziellen Rhythmus an den Felsen und murmelte eine Zauberformel. Daraufhin öffnete sich das Gestein einen Spalt breit.
Aurelia und Annomé huschten hinein. Mit einem dumpfen Donnern schloss sich der Felsen hinter ihnen Sie waren in einer gigantischen Felshöhle. An den Wänden saßen tausende Glühwürmchen, die ein schummriges Licht verbreiteten. Ein schmaler Gang führte weiter in die Höhle hinein.
Nachdem Annomé alles genauestens betrachtet hatte, fragte sie Aurelia: »Wer war der kleine Zwerg?«
»Er ist der Hüter der Höhle.«
»In echt? Der Winzling hütet diese mächtige Höhle?«
Kaum hatte Annomé die Worte gesprochen, da war ein lautes Grollen zu hören. Ein paar Steine fielen von der Decke herab. Instinktiv zog sie den Kopf ein. Sie zeigte auf den Höhleneingang und flüsterte: »War er das?«
Aurelia nickte. »Die Dinge sind nicht immer so wie sie zu sein scheinen.«
Der Spruch kommt mir irgendwie bekannt vor, dachte Annomé. Ach ja, der Goldene benutzt ihn hin und wieder. Und er ist sowas von wahr. Sie hatte es selber oft erfahren. Aurelia sprach weiter: »Ob jemand Großes vollbringt, mächtig, stark und mutig ist, hat nichts mit seiner Körpergröße oder seinem Aussehen zu tun.«
Ganz schön schlau die Kleine, dachte Annomé. Sie fragte: »Und wie kommen wir später wieder aus der Höhle raus?« Ein bisschen unheimlich war es ihr hier drinnen. Sie fühlte sich wie eingesperrt.
Aurelia deutete auf einen kleinen goldenen Stab, der am Höhleneigang lehnte. »Damit müssen wir dreimal an die Wand klopfen. Dann lässt er uns wieder raus.«
Na hoffentlich, dachte Annomé. Ihr fiel ein, dass sie Winzling zu dem Hüter gesagt hatte. Er wird doch nicht etwa nachtragend sein und sie nicht mehr hinauslassen? Daran mochte sie erst gar nicht denken. Im Moment waren sie hier in Sicherheit. »Wir können nicht ewig in der Höhle hocken bleiben. Wie geht es weiter? Was können wir tun?«, fragte Annomé.
Aurelia zuckte mit den Schultern. »Wir müssen uns was überlegen. Wir werden uns in Ruhe auf unsere Rettung konzentrieren, dann fällt uns sicherlich was ein.«
Annomé verdrehte die Augen. Na toll, dachte sie, konzentrieren, da ist es wieder, mein Anti-Lieblingswort. Sogar bis hierher in die Höhle verfolgt es mich. Hätte sie doch bloß nicht nach den Keksen geschaut. Dann wäre mir dies hier alles erspart geblieben.
Ein tiefer Seufzer entfuhr ihr. »Bevor ich mich konzentrieren kann, brauche ich ein wenig Bewegung. Wo führt denn der Gang dort hin?« Ihre Neugier war geweckt.
»Ich weiß es nicht. Mit Auguste war ich nur hier in diesem Raum. Sie selbst ist mit einem großen Sack in dem Gang verschwunden. Nach einiger Zeit kam sie ohne Sack zurück. Als ich sie fragte, wo der Höhlenweg hinführt, hat sie mir keine Antwort gegeben. Hatte das Gefühl, als wollte sie nicht darüber sprechen.«
Annomé zog der Gang magisch an. Wo mag er hinführen? Es fühlte sich ein bisschen nach einem Abenteuer an. »Ich fliege ein winzig kleines Stück hinein. Nur mal schauen, ob ich da was entdecke, dass uns helfen könnte.«
»Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist«, sagte Aurelia. »Aber flieg nicht zu weit. Ich habe ein ungutes Gefühl. Besser, du bleibst hier.«
Annomé war bereits losgeflogen. »Bin gleich wieder zurück, versprochen.« Wie war das nochmal mit dem Versprechen, dachte Annomé. Was hatte Carlotta gesagt? Sie sollte nichts versprechen, was sie nicht halten kann. Na ja, in diesem Fall war es in Ordnung. Denn sie würde ja gleich wieder zurück sein. Langsam flog sie in den Gang hinein. Hier waren die Wände ebenfalls voller Glühwürmchen. Jedoch so hell wie im Eingang der Höhle war es nicht. In Kurven wurde sie durch den Felsen geführt.
Nach einer Zeit teilte sich der Gang. Einer ging rechts und der andere links entlang. Hm, dachte Annomé. Das wäre der perfekte Augenblick, um umzukehren. Aber sie hatte noch nichts Tolles entdeckt. Und irgendwo musste der Gang doch hinführen. Sie hörte wie Aurelia nach ihr rief. Annomé konnte es kaum verstehen. Demnach war sie bereits ein ganzes Stück weit entfernt. Sie antwortete: »Ich bin hier, ich komme gleich zurück!« Ihre Stimme hallte durch die Gänge wie ein tausendfaches Echo. Es hörte sich schaurig an.
Eine kurze Strecke noch, dachte Annomé, dann kehre ich um.
Welchen Gang sollte sie wählen? Sie bog links ab. Vorsichtig flog sie weiter. Nach ein paar Kurven gelangte sie auf eine Kreuzung. Am sichersten ist es, dachte Annomé, wenn ich immer geradeaus fliege. Dieses Bild wiederholte sich mehrmals. Stets wählte sie den geraden Weg.
Plötzlich hörte sie in der Ferne ein Geräusch. Sie spitzte ihre Elfenohren. Es war, als würde jemand eine Melodie summen. Wo kam das her? Angespannt flog Annomé weiter. An der nächsten Abzweigung horchte sie. Es kam von rechts. Vorsichtig begab sie sich in den Gang hinein. Im Gegensatz zu den anderen war dieser wesentlich breiter. Hier war die Beleuchtung durch die Glühwürmchen noch spärlicher.
Annomé begann zu frösteln. Unheimlich war es hier. Ihr Herz pochte heftig. Links und rechts befanden sich schwere Holztüren. Was mochte sich dahinter verbergen? Sie sah, dass die Türen im oberen Bereich eine kleine vergitterte Öffnung hatten. Dieses Summen schien aus der ersten Tür zu kommen. Sollte sie lieber schleunigst umkehren?

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